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Möchtegern-Kidnapper als Begründer einer Legende. (BT 25.05.07)
Wolf von Eberstein und der “Grafensprung”/Historische Wurzeln liegen in der Belagerung Neueberstein im Jahr 1367
von Cornelia Zorn
<Gernsbach> Keine historische Gestalt des Murgtals ist so von Sagen umrankt wie Graf Wolf von Eberstein (um 1340 bis 1396). Die populärsten Erzählungen drehen sich um den berühmten „Grafensprung“ und die „Braut des Hauptmanns“. Diese beiden Sagen sollen im Folgenden auf ihren historischen Wahrheitsgehalt untersucht werden.
Die Legende vom „Grafensprung“ berichtet, wie Graf Wolf von Eberstein den Württembergern entkam, die seine Burg Neueberstein über Gernsbach belagerten: Er trieb sein Pferd über den Felsen hinab direkt in die Murg hinunter, überlebte – im Gegensatz zu seinem Pferd – den Sprung und konnte den Verfolgern entkommen. Diese Legende ist in der Literatur (August Kopisch, Ludwig Uhland) und der Malerei (Gemälde in der Trinkhalle Baden-Baden) verewigt worden. Die Stelle unterhalb von Schloss Eberstein, von der Graf Wolf angeblich gesprungen sein soll, wird als „Grafensprung“ bezeichnet. Schon allein die Topographie straft die Legende allerdings Lügen: Von dieser Stelle kann niemand einen Sprung zu Pferd überleben! Dennoch steckt in der Legende historische Wahrheit. Die Burg Neueberstein wurde 1367 tatsächlich von den Württembergern belagert, und zwar in Folge eines Verbrechens, das damals viel Aufsehen erregte und noch Jahrhunderte später in den Chroniken verzeichnet wurde.
Im Frühjahr des Jahres 1367 kurierte Graf Eberhard II. von Württemberg in den warmen Quellen eines „Wildbad“ genannten Ortes die Folgen eines Jagdunfalls aus. Die Historiker können nicht genau sagen, ob es sich bei diesem mittelalterlichen Kurort um das heutige Bad Wildbad oder um Bad Teinach handelte. Auf jeden Fall wurde der Württemberger bei diesem Kur-Urlaub von seinem Sohn Ulrich begleitet. Einige Quellen berichten, auch seine Frau, seine Schwiegertochter und sein vierjähriger Enkel seien mit dabei gewesen. Dieses Familienidyll war für einige Adlige aus der Region ein gefundenes Fressen. Schon lange fühlten sie sich vom Württemberger ständig übervorteilt. Eberhard II. (1315 bis 1392) führte nicht umsonst den Beinamen „der Zänker“. Für die Mehrung seines Besitzes war er stets bereit, Streitereien vom Zaun zu brechen. Wo auch immer ein adliger Standesgenosse in finanziellen Schwierigkeiten war, begann der Württemberger mit der feindlichen Übernahme: zuerst ein Darlehen mit Pfandnahme, dann Sicherheitsübertragungen an Burgen, Ländereien und Rechten seiner Schuldner, zum Schluss oft teilweise oder gänzliche Übernahme deren Besitztümer. Auf diese Weise suchte Graf Eberhard sein Herrschaftsgebiet zu erweitern und zu arrondieren. Auch Heinrich von Eberstein, Wolfs Vater, hatte da schon schmerzliche Erfahrungen machen müssen. Erhebliche Besitzrechte waren bereits an den Nachbarn abgetreten: 1338 erlangte Württemberg das Vorkaufsrecht an allen Ebersteinischen Besitztümern, 1354 Nutzungsrechte an Burg Neueberstein, Gernsbach und Muggensturm.
Dieser schleichenden Unterwanderung durch den Nachbarn wollte Graf Wolf endlich Einhalt gebieten. Zusammen mit einigen Adligen, die ähnlich schlecht auf Württemberg zu sprechen waren, kam er auf die Idee, Graf Eberhard und seine Lieben bei der Kur zu überfallen, gefangen zu nehmen und nur gegen ein fettes Lösegeld wieder freizulassen. An diesem Komplott beteiligt waren die Brüder Johann und Konrad von Schmalenstein, die neben ihrer Stammburg bei Weingarten (nahe Karlsruhe) auch die Hälfte der Burg Straubenhardt besaßen (heute eine Ruine bei Dennach). Ferner waren beteiligt Aberlin Wydenbusch aus dem Geschlecht der Röder in der Ortenau und Heinrich Glatz aus einer am Neckar ansässigen Familie. Der neben Wolf von Eberstein berühmteste Teilnehmer des Komplotts war Wolf von Wunnenstein, wegen seiner blankpolierten Rüstung von den Zeitgenossen der „gleissende Wolf“ genannt. Die Besitzungen derer von Wunnenstein und die Namen gebende Burg lagen ursprünglich nicht weit von Ilsfeld und dem heutigen Rasthof „Wunnenstein“ an der A81 zwischen Stuttgart und Heilbronn.
Die von den beiden „Wölfen“ geplante Geiselnahme ging schief. Der Württemberger und seine Angehörigen entkamen dem anrückenden Trupp der Verschwörer mit knapper Not. Die Möchtegern-Kidnapper wurden vom Kaiser in die Reichsacht erklärt, der Württemberger holte zum Gegenschlag aus.
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Darstellung des “Grafensprungs” in der Trinkhalle Baden-Baden, Fresko von Jakob Götzenberger (1802 bis 1866) |
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Erbitterter Kleinkrieg gegen Württemberg - bis zum Ruin (BT 26.05.07)
Graf Wolf von Eberstein in Legende und Wirklichkeit/Pferdenarr und wilder Reiter/Ehelosigkeit gibt den Forschern Rätsel auf.
von Cornelia Zorn
<Gernsbach> Im Juli 1367 schlossen die Truppen des Württemberger Grafen Eberhard die Feste Neueberstein (heute Schloss Eberstein über Gernsbach) ein. Die Sage vom Grafensprung berichtet, Graf Wolf von Eberstein sei den Belagerern durch einen Sprung zu Pferd von dem heute „Grafensprung“ genannten Felsen unterhalb der Burg entkommen.
Die Wirklichkeit sah anders aus: Der Burgherr hatte sich nach der missglückten Geiselnahme im „Wildbad“ rechtzeitig abgesetzt. Im August 1367 wurden er und seine Mitverschworenen nachweislich von den Rheingrafen Johann und Hartrad in ihren Burgen aufgenommen. Dieses Geschlecht hatte – anders als der Name vermuten lässt – seinen Besitz an der Nahe (der Besitz am Rhein war ihm schon im 13. Jahrhundert verloren gegangen). Hauptsitz war die wildromantische Burg Rheingrafenstein bei Bad Kreuznach. Die Rheingrafen waren Teil einer größeren Opposition gegen die Expansionsbestrebungen des Württembergers, zu der auch der Markgraf von Baden und der pfälzische Kurfürst gehörten. Infolge von Differenzen unter den beteiligten Fürsten und Städten wurde die Belagerung von Neueberstein schon im Herbst 1367 ohne Ergebnis abgebrochen. Graf Wolf kehrte erst 1369 wieder ins Murgtal zurück. Während der Belagerung hatte er an der Nahe geweilt - weit weg von seiner Burg. Dennoch erfasst die Legende seinen Charakter recht zutreffend, wenn man sein weiteres Leben betrachtet.
Anders als seine Mitverschwörer führte er noch fast 20 Jahre lang einen erbitterten und fruchtlosen Kleinkrieg gegen Württemberg – bis zum finanziellen Ruin. Erst 1385 gab er auf und bestätigte die Rechte Württembergs an den Ebersteiner Besitzungen, die schon sein Vater hatte anerkennen müssen. Durch seine starre Haltung hatte er nichts gewonnen, aber fast alles verloren. 1387 verkaufte er bekanntlich sogar die Hälfte der ihm zustehenden Grafschaft Eberstein an Baden. Georg Heinrich Krieg von Hochfelden urteilte in seiner 1836 erschienenen „Geschichte der Grafen von Eberstein in Schwaben“ über ihn: „Kühnheit, Thatkraft und Ausdauer kann man ihm nicht absprechen.“ Die Legende vom Grafensprung bringt diese Züge sehr anschaulich zum Ausdruck, ebenso wie die Vermutung, dass Graf Wolf ein Pferdenarr und guter Reiter gewesen sein muss. Trotz völliger Überschuldung kaufte er 1388 einen teuren Hengst für 140 Gulden. Da er das Geld nicht aufbringen konnte, ließ er sich die Summe von den Juden in Frankfurt vorstrecken – gegen einen jährlichen Zinssatz von 43 Prozent!
In der Zeit des Krieges mit Württemberg spielt die zweite bekannte Legende um Wolf von Eberstein, nämlich die Sage von der „Braut des Hauptmanns“. Sie erzählt, wie der Graf als Hauptmann einer Truppe gegen die Württemberger bei Loffenau kämpfte und ihm dort von seiner Verlobten Hildegunde das Leben gerettet wurde. Das Mädchen deckte ihn, so die Sage, mit ihrem eigenen Körper vor einem feindlichen Speerstoß und wurde dabei selbst getötet. Graf Wolf schwor daraufhin, niemals ein anderes Weib zu freien. Auch in dieser Sage steckt ein Körnchen Wahrheit. Eine Hildegunde hat es niemals gegeben, aber der Ebersteiner blieb tatsächlich sein Leben lang unverheiratet. Auch von einer außerehelichen Verbindung ist nichts bekannt. Selbst als der Fortbestand des Hauses gefährdet war, hielt Wolf an seiner Ehelosigkeit fest. Als klar war, dass von ihm keine Nachkommen zu erwarten waren, wurde 1377 sein jüngerer Bruder Wilhelm, der bereits seit 17 Jahren als Mönch im Kloster Weisenburg lebte, wieder „reaktiviert“, das heißt aus dem Kloster geholt und mit Margarethe von Erbach (Odenwald) verheiratet, mit der er mehrere Kinder zeugte. Warum Graf Wolf an Frauen so desinteressiert war, wissen wir nicht. Krieg von Hochfelden spricht von der „Untüchtigkeit Wolfs für die Ehe“. Vielleicht war der Ebersteiner homosexuell veranlagt. Aber das galt im Mittelalter als ein todeswürdiges Verbrechen, das die ewige Verdammnis nach sich zog und von den Betroffenen verschwiegen oder verdrängt wurde. In der Liebe hatte Graf Wolf also kein Glück – weder in der Wirklichkeit noch in der Legende. |
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Feudaler Alterssitz statt Armenhaus für Graf Wolf. (BT 21.07.07)
Das Ende Wolf von Ebersteins in der Burg von Muggensturm/Schuldenlast macht dem alten Kämpfen zu schaffen/Langenbach-Darstellung falsch.
von Cornelia Zorn
<Gernsbach> In seinem „Führer durch das Schloss Eberstein“ aus dem Jahr 1929 schrieb Heinrich Langenbach, Graf Wolf von Eberstein sei nach Abtretung seines Besitzes von seinen Verwandten ins Armenhaus nach Muggensturm abgeschoben worden. Diese Behauptung wurde zu einer Legende, die bis heute gerne weiter erzählt wird, auch wenn die Wirklichkeit anders aussah.
Richtig ist, dass Wolf von Eberstein nach der 18-jährigen Fehde gegen Württemberg einen Berg von Schulden aufgetürmt hatte. 1387 verkaufte er daher die ihm zustehende Hälfte der Grafschaft Eberstein für 10.000 Gulden an Markgraf Rudolf VII. von Baden. 1389 versetzte er – wieder wegen seiner Schulden - auch noch seine letzte Immobilie, die Burg Mantelberg bei Pfalzgrafenweiler, an Rudolf. Damit war er vom Inhaber einer selbständigen Herrschaft zum verarmten Adligen ohne standesgemäße Bleibe herabgesunken. In dieser Lage bot sich, wie damals für viele adlige Standesgenossen, der Eintritt in die Dienste eines fremden Herrn an. Auch Graf Wolf hatte diesen Weg schon beschritten: 1380 bis 1382 diente er der Stadt Speyer als Hauptmann der städtischen Söldnertruppe mit einem Jahresgehalt von 1000 Gulden. 1387 wurde er von Markgraf Rudolf als badischer Amtmann eingesetzt, und zwar genau in dem Teil der Grafschaft Eberstein, der vormals ihm gehört hatte. Den Posten in Speyer quittierte Wolf, als sein Gegner Württemberg dem Städtebund beitrat, dem auch Speyer angehörte. Die Stelle als Amtmann hielt er ebenfalls nur zwei Jahre durch: Die Einkünfte waren für seinen Lebensstandard viel zu niedrig!
Doch wo sollte Graf Wolf 1389 nach dem Totalausverkauf hingehen? In der Ebersteinischen Hälfte der Festung Neueberstein über Gernsbach konnte und wollte er nicht bleiben. Dort hatte nämlich seine Schwägerin Margarethe von Erbach, die Witwe seines 1385 verstorbenen Bruders Wilhelm, das Kommando. Energisch trachtete sie danach, ihren beiden noch minderjährigen Söhnen Wilhelm und Bernhard, den zukünftigen regierenden Grafen von Eberstein, das Erbe möglichst ungeschmälert zu erhalten. Kein Wunder, dass sie ihren verschwenderischen Schwager nicht leiden konnte und dauernd mit ihm um Geld und Besitztümer stritt. Aber die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Daher spielte Graf Wolf als erprobter militärischer Haudegen sicher mit dem Gedanken, aus dem Murgtal fortzugehen und sich bei einem fremden Fürsten zu verdingen. Aber mittlerweile ging er auf die Fünfzig zu, und ein Leben an einem fremden Hof hätte sicher zu neuen Schulden geführt. Und die nicht zurückzuzahlen, wäre für das Ansehen einer Familie aus dem Hochadel schädlich gewesen. Der badische Markgraf erkannte die Gefahr und baute, wahrscheinlich nach Beratung mit Margarethe von Erbach, dem unruhigen alten Kämpen eine goldene Brücke. Laut einer Urkunde aus dem Jahre 1389 gab er „unserem lieben Oheim Graf Wolfen von Eberstein ... umb daz er Narunge habe und by uns bliben möge ... ein Behusunge sinen Lebtagen zu sitzen und zu wonen in unserm Teil der Burge zu Mugkensturm“. Markgraf Rudolf überließ damit Graf Wolf einen feudalen Alterssitz, nämlich die Hälfte der Burg Muggensturm, die ihm der Ebersteiner zusammen mit der Hälfte der Grafschaft vorher verkauft hatte. Die bereits im 14. Jahrhundert bestehende, heute verschwundene Wasserburg befand sich hinter dem 1828 bis 1830 erbauten alten Rathaus in einem Gewann, das bezeichnenderweise „Burgwiesen“ heißt.
Zusätzlich erhielt Graf Wolf die lebenslange Nutzung des markgräflichen Herrenhofes in Muggensturm. Für die Viehzucht standen ihm die dazu gehörigen Weiden offen, seine Schweine durfte er abgabenfrei in die markgräflichen Wälder zur Eichelmast treiben. Als Handgeld erhielt er pro Jahr 50 Pfund Pfennige (etwa 70 Gulden) sowie zwei Fuder Wein, „ein luters und ein rots“. Zwei Fuder Wein entsprachen etwa 2200 Litern. Der „Lutertrank“ genannte Würzwein war mit teuren Gewürzen wie Zimt, Ingwer, Gewürznelken oder Safran versetzt. Im Falle, dass Markgraf Rudolf kinderlos sterben würde (was 1391 tatsächlich geschah), sollte Graf Wolf sogar vier Fuder Wein und 100 Pfennige jährlich erhalten! Zusätzlich regelte der Markgraf die bis dato aufgelaufenen Schulden Wolfs und gab ihm auf seine Bitte hin das Patronat, das heißt die Verfügung über die Besitztümer der „Kirche in unserem Dorfe zu Mersche“ (heute Rheinstetten-Mörsch). Außerdem sagte er dem Ebersteiner zu, ihn mit zwei Begleitern nebst Pferden „in unsere Sloße“ aufzunehmen und zu verköstigen, „so dicke (oft) er zu uns kommt, die wile er lebt“. Von einer Existenz im Armenhaus konnte also keine Rede sein! Graf Wolf taucht 1391 und 1395 noch einmal in Urkunden auf, danach muss er gestorben sein. Seine Grabstätte ist unbekannt. |
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Gleich hinter dem 1830 erbauten Rathaus von Muggensturm lag die Wasserburg, in der Wolf von Eberstein die letzten Jahre seines Lebens verbrachte. |
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© Cornelia Renger-Zorn 1999-2020 letzte Aktualisierung: 29. August 2020 |
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