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BT, Sa 5.12.2007
Wappen am Alten Rathaus gibt Rätsel auf Löwe und Rose werden bislang als Wappen des Bauherrn Hans Jakob Kast gedeutet -nicht ganz zu Recht
von Cornelia Zorn
<Gernsbach> Farbenfroh prangt das große Doppelwappen über dem Eingang zum „Alten Rathaus“. Die Helmzieren zeigen einen steigenden Löwen mit einem Baum in den Pranken und einen Vogel mit ausgebreiteten Flügeln, in den Wappenschilden erscheinen Rose und Doppelhaken. Löwe und Rose wurden bislang als Wappen des Bauherrn Hans Jakob Kast gedeutet – nicht ganz zu Recht, wie sich bei näherer Betrachtung herausstellt.
Das „Alte Rathaus“ entstand in den Jahren 1617 und 1618, wie uns die Jahreszahlen an der Fassade und an den Portalen im Innern verraten. Bauherr war Johann Jakob Kast, ältester Sohn des sagenhaft reichen Murgschiffers Jakob Kast. Nach dem Tod des Vaters 1615 führte er zusammen mit seinem Bruder das Geschäft fort und ließ sich, um seine Stellung zu demonstrieren, am Markt, in der damals vornehmsten Wohngegend, vom Kurpfälzischen Hofbaumeister ein palastartiges Wohnhaus bauen. Zu einem solchen Prestigebau gehörte natürlich auch die Anbringung eines eigenen Wappens an prominenter Stelle.
Der steigende Löwe mit dem Baum in den Pranken deutet auf den Wald als Quelle des Reichtums hin. Das Emblem findet sich an zwei weiteren Stellen in Gernsbach: Auf dem evangelischen Friedhof erscheint der Löwe mit Baum auf dem Grabstein eines gewissen Jakob Kast (gestorben 1768), und zwar innerhalb und oben auf dem Wappenschild. Über dem Eingang zum Haus Kast (spätes 18. Jahrhundert) in der Igelbachstraße sieht man einen vergoldeten Löwen mit Baum im Schild und einen zweiten als Helmzier über dem Schild. Die Löwen am Haus Kast und auf dem Grabstein, obwohl jüngeren Datums, sind ziemlich klein und unbeholfen gestaltet. Dagegen ist der Löwe am „Alten Rathaus“ sorgfältig und prächtig ausgearbeitet. Es sind daher Zweifel erlaubt, ob er in dieser Form tatsächlich aus der Erbauungszeit stammt.
Die Rose im Wappenschild unter dem Löwen ist dagegen mit Sicherheit nicht ursprünglich. Die hochadligen Grafen von Eberstein, damals noch Stadtherren, hätten einem Kaufmann kaum gestattet, ihr Wappen zu führen - auch wenn sie bei ihm verschuldet waren! Auf Grabsteinen der Kasts aus dem 16. Jahrhundert finden sich Wappenschilde mit so genannten Schifferzeichen (für jeden Murgschiffer eigene Kombination von Balken). Wahrscheinlich zeigte der linke Schild am Alten Rathaus einst die Schifferzeichen Hans Jakob Kasts, und die Rose wurde erst nachträglich eingefügt. Ihre Gestaltung ist atypisch: Das blaue Innere des Kelches sieht aus wie ein weiterer Kranz von Blütenblättern. Auf die authentische Ausarbeitung scheint man keinen Wert gelegt zu haben.
Wann könnte eine solche Veränderung stattgefunden haben? Zwischen 1715 und 1754 begann die Stadt, das von Kast niemals bezogene Wohnpalais als Rathaus zu nutzen (bis 1936). Vermutlich wurden in diesem Zusammenhang die Wappenschilde umgemeißelt, um die neue Funktion des Gebäudes kenntlich zu machen. Als eine Gründung der Ebersteiner führte die Stadt seit 1393 die Rose im Stadtsiegel. Auf diese Weise ließe sich auch der Doppelhaken im rechten Schild gut erklären. Schon 1511 erscheint dieses Zeichen am Brunnen an der Hofstätte als Wappensymbol der Stadt.
Nach einer Akte im Gernsbacher Stadtarchiv beschloss die Verwaltung 1834, das „Alte Rathaus“ verputzen zu lassen. In dem Beschluss heißt es unter anderem: „Der Wappen vornen am Rathhaus soll besonders schön mit den gehörigen Farben hergestellt werden...“ Offensichtlich handelte es sich dabei um die städtischen Symbole Rose und Doppelhaken.
Was ursprünglich an Stelle des Doppelhakens stand, darüber lässt sich nur spekulieren. Die Helmzier, ein Vogel, weist auf die Ehefrau des Erbauers hin. 1596 hatte Hans Jakob Kast in zweiter Ehe Maria Vogler aus Heilbronn geheiratet. Die Familie Vogler führte ein Wappen mit Äxten und Keilen im Wappenschild und einem Raubvogel als Helmzier. Möglicherweise wurde das Doppelwappen über dem Portal zum „Alten Rathaus“ ursprünglich als Allianzwappen der Eheleute Kast und Vogler angelegt. Als die Stadt nachträglich Rose und Doppelhaken einfügte, ließ man die Helmzieren stehen. Auf diese Weise könnte die Kombination von Rose und Löwe entstanden sein, die im Laufe der Zeit als typisch für den Bauherrn angesehen wurde. Bei der Ausmalung des Bürgersaals 1906 erscheinen beide Symbole im Wappen der Familie Kast.
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