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 Ein Fluch - das Gästebuch

Gäste werden ungezählt
bei manchem Feste arg gequält.
Das Gästebuch lauert voll Tücke,
dass der Besuch die Feder zücke.
Ins Schwanken kommt das Hirn vor Schreck,
die Gedanken eilen weg.
Die Gäste nämlich meist versetzt
grad jetzt der Geist, was sie verletzt,
und ehe sie was schreiben sollen,
kommt´s vor, dass sie nicht bleiben wollen.
                                                [Cornelia Zorn]

 

Oh weh, des Hauses Fluch - das Gästebuch!

Das denken viele, denen - bei welcher Gelegenheit auch immer - ein solches vorgelegt wird,
damit sie sich darin verewigen.

Aber ein Gästebuch kann auch ein schönes Geschenk sein!
Und noch schöner und persönlicher wird es, wenn Sie eine Widmung hineinschreiben, zum Beispiel nach Art der folgenden Gedichte:
 

Gästebuch I

Hübsch lieg ich hier, ich mach’ was her!
Bin ich auch innen hohl und leer,
hab ich doch Reiz – nett aufgezogen
in Gold und Leder – ungelogen!

Hast Du mich schon aufgerissen?
dann streng den Geist an jetzt beflissen,
was Du mir könntest einverleiben.
Du sollst jetzt nämlich hier was schreiben!

Halt, stopp! Verdrück dich nicht so fix!
Es ist zu spät. Es nützt Dir nix!
Denn wenn das Werk Dir heut’ nicht glückt,
dann werde ich Dir nachgeschickt!

Falls Dir jetzt nichts einfällt – falls -
vergiss nicht, hast Du mich am Hals!
Und ich liege vielleicht stumm
und lang auf Deinem Schreibtisch rum.

Also nimm das Schreibzeug her
und fang an. Es ist nicht schwer!
Ich bin ganz wild auf Anekdoten,
im Volksmund auch bekannt als „Schoten“.
 

Soweit dabei zu finden sind
Bezüge zum Geburtstagskind.
Hast Du’s mal, wie man’s so kennt,
erlebt in seinem Element?

Habt Ihr zusammen was gemacht?
Habt Ihr gelacht? Hat’s mal gekracht?
An welcher Front ward Ihr mal Sieger,
Krieger oder Überflieger?

Oder ward Ihr vor zig Jahren
sogar mal richtig Schlitten fahren?
Habt Ihr geschafft, gekämpft, raubautzt?
Hat wer sogar wen angeschnautzt?

Auch wenn Du’s nicht verraten  m u s s t,
hätt ich’s doch gar zu gern gewusst!
Bei mir, da ist es gut verwahrt.
Und bin ich erst einmal bejahrt,

mit dem, was Ihr jetzt schreibt mir ein,
dann werd ich noch viel hübscher sein!
Dann hab ich, was seit je begehrte
ein jeder: nämlich inn’re Werte!
 

Und mein Herz – Ist das ein Fluch? –
liegt offen wie ein Gästebuch.

PS:
Ach noch was: Bitte sei ein Schatz!
Lass auch noch ein bisschen Platz
für ein nettes Konterfei
und schick es mir recht bald vorbei!
Damit Ihr, wie Ihr leibt und lebt
auch noch als Bild hier drinne klebt.
                            
[Cornelia Zorn]

Gästbuch II

Schaut mich an, ich bin schön dick!
Für mich als Buch, da ist das schick.
Prächtig glänzend und gediegen
soll ich vor den Gästen liegen,
mit goldenem Schriftzug dekoriert,
dass mich ja niemand ignoriert!
Und erst meine leeren Seiten!
Schimmernde Jungfräulichkeiten,
die, fast würdig eines Schiller,
nur warten auf den edlen Füller,
der, wo die Bütten blütenrein,
kühn und kraftvoll trägt sich ein.
Ich knistere, wenn Tinte fließt,
raschele, wenn sich Geist ergießt,
und voll Erwartung immerfort,
halt ich still bei jedem Wort.
 

Sei’n es Zitate oder Sprüche,
ein guter Rat, was aus der Küche,
ein Witz, Bonmot, ein kleiner Scherz,
ein Wunsch, was fürs Gemüt mit Herz,
verseh’n mit Datum und den Namen
derer, die gern hierher kamen.
Für alles, sei es lang und breit,
sei’s kurz und knapp, bin ich bereit.
Sei es geraubt, geklaubt, verstaubt
oder geschraubt – es ist erlaubt!
Und wenn’s in Gottes Namen leichter
einem fällt, sei es auch seichter.
Erlaubt ist selbst, seid euch bewusst,
ein Kuli – schreibt er nur mit Lust!
                              
[Cornelia Zorn]

 

Gästebuch III

Ich bin ein Buch besondrer Art.
An Papier ward nicht gespart.
Die Decken sind, dass ich auch liege
gut in der Hand, aus echter Ziege.
Am meisten lässt mein Inhalt hoffen:
Der ist – Gottlob – noch völlig offen!
Ich bin so neu wie dieses Haus.
Doch die jetzt geh’n hier ein und aus,
sind umso reicher an Erfahrung,
wie es mir fehlt an Bejahrung.
Drum werd’ ich, das ist mein Bestreben,
sicher bald erfüllt mit Leben.
Und bei manchem schönen Feste
füllen mich auch liebe Gäste.
Mit Witz und Geistesgegenwart
meistert mancher diesen Part.
Ein anderer, beschwingt vom Wein,
verleibt mir einen Sinnspruch ein.
Manche schreiben nur die Namen
und dass sie mit Vergnügen kamen.
das knappste Wort kann ich verschmerzen,
kommt es nur so recht von Herzen
und fließt auf meine Bütten hin
aus einem freundlich-offnen Sinn.
Viel Neues wird sich in mir finden.
Vertrautes auch – ich werd’ es binden
zum Strauß, der noch in Blüte steht,
wenn mir das letzte Blatt ausgeht
und ich dann bin, das wünsch ich mir,
für alle hier ein Souvenir!
                              [Cornelia Zorn]

© Cornelia Renger-Zorn 1999-2020
letzte Aktualisierung: 1. Februar 2020

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