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Joseph von Lassolaye. Pionier der Moderne in Gernsbach und Baden-Baden
An der Innenseite der Stadtmauer südlich der Gernsbacher Liebfrauenkirche ist ein verwitterter Grabstein mit einer nur noch schwer zu entziffernden Inschrift zu finden. Joseph von Lassolaye, für den er errichtet wurde, prägte die Region nachhaltig. Er baute die erste Straße im Murgtal und war der erste Ehrenbürger von Baden-Baden.
„Grabstein zum Andenken des hochwohlgebornen Freyherrn Joseph von Lasollaye, ehemaligen Oberbeamten dahier und nachherigen Großherzoglich Badischen Murg-Kreis-Directors und Staatsraths, welcher den 22ten März 1822 zu Rastatt starb und hier bey und neben seinen Eltern, Frau und mehreren seiner Kinder begraben zu werden verlangte.“ So lautet die von Joseph von Lassolaye selbst entworfene Inschrift. Der Grabstein seiner 1804 verstorbenen Frau Maria Anna aus Völkersbach steht gleich daneben. Das Grab seiner Eltern ist nicht erhalten.
Dabei war es gerade sein Vater Carl Wilhelm, der das Fundament für Josephs Karriere legte, und zwar durch das Vertrauen und Ansehen, das er sich als Staatsdiener bei den Markgrafen erworben hatte. Carl Wilhelm Lassolaye (1710-1782, 1780 in den Adelsstand erhoben), studierter Jurist und Oberamtmann der Grafschaft Eberstein, hatte eine große Familie. Drei Söhne lagen ihm mit Ausbildung und Unterhalt gleichzeitig auf der Tasche. 1765 flehte er in „tröstlicher Zuversicht gnädigster Erhörung in tiefster Submission ersterbend“ Markgraf August Georg von Baden-Baden an, seinem zweiten, 1746 in Gernsbach geborenen Sohn Joseph, den er habe „mit schweren Cösten die Jura absolvieren lassen“, eine Stelle im Staatsdienst zu geben. Dabei wies der Vater nicht nur auf seine eigene Dienstzeit von 36 Jahren hin, sondern scheute sich auch nicht, auf ein altes, von Legenden umwittertes Verdienst seiner Familie hinzuweisen.
Sein Großvater, so erinnerte Lassolaye senior den badischen Fürsten, habe bekanntlich unter Lebensgefahr den Markgrafen Ludwig Wilhelm (den „Türkenlouis“) „in den wiegen aus denen französischen in seine Erblande sicher gebracht und dadurch die Succession der hochfürstlich-badischen Linie bisher erhalten“. Der baden-badische Erbprinz Ferdinand Maximilian hatte 1654 in Paris Luise Christine von Savoyen-Carignan geheiratet, die ihm aber nicht nach Baden folgen wollte. Immerhin wurde in Paris 1655 ein kleiner Erbprinz geboren, der spätere „Türkenlouis“. Wenn die Mutter schon nicht nach Baden wollte, so musste doch der kleine Stammhalter dorthin gebracht werden. Diese Aufgabe vertraute der Vater, der noch in Paris zu tun hatte, seinem Kammerdiener an, der in den Akten als Charles Malescot dit la Solée auftaucht und mit großer Sicherheit aus Aix-les-Bains in Savoyen stammte. In Baden gründete er wenig später die weitverzweigte Familie Lassolaye (die Schreibweise des Namens variierte), aus der etliche hochdekorierte badische Staatsdiener hervorgingen.
Erwiesenermaßen handelte es sich 1655 nicht um eine Entführung gegen den Willen der Mutter, obwohl sich dieses Gerücht lange hielt. Eine längere Reise für einen Säugling war aber damals sicher nicht ungefährlich. Dass der drei Monate alte „Türkenlouis“ wohlbehalten in Baden ankam, daran erinnerte man sich im markgräflichen Haus selbst 110 Jahre später offenbar noch mit Dankbarkeit. August Georg von Baden-Baden kam den Bitten seines Beamten 1765 denn auch entgegen. Der Name Lassolaye bürgte eben für Qualität. Dem 19jährigen Joseph wurde eine Praktikantenstelle im geheimen Hofrat zugewiesen. Einziger Nachteil: Die Stelle war zwar mit Prestige, aber nicht mit einem Gehalt verbunden. |
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Stark verwitterte Grabsteine an der Stadtmauer südlich der Liebfrauenkirche Gernsbach. Errichtet 1822 und 1805 für Joseph von Lassolaye und seine Frau. |
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Joseph von Lassolaye erhielt mit 19 Jahren 1765 auf Bitten seines Vaters Carl Wilhelm, damals leitender Beamter in der Grafschaft Eberstein mit Sitz in Gernsbach, eine Stelle in der badischen Hofkanzlei. Da diese Stelle nicht dotiert war, gewährte Markgraf August Georg von Baden-Baden ihm über etliche Jahre hinweg eine jährliche Extra-Pension von 200 Gulden, was dem Gehalt eines Sekretärs entsprach. Der Vater verdiente nach ähnlich kleinen Anfängen jährlich 600 Gulden Bargeld und etwa 550 Gulden in Naturalleistungen.
1768 erreichte Lassolaye senior, wiederum durch dringende Bitten beim Markgrafen, dass Sohn Joseph ihm bei der Ausübung seines Amtes mit der Anwartschaft auf Nachfolge beigeordnet wurde. Dieses Arrangement muss als ungewöhnlicher Vertrauensbeweis des Markgrafen August Georg interpretiert werden. Doch dieser Fürst regierte nicht mehr lange. 1771 starb er kinderlos, und die Markgrafschaft Baden-Baden wurde wieder mit Baden-Durlach vereint. Würde der neue Regent, der evangelische Karl Friedrich von Baden-Durlach, die katholischen Beamten übernehmen? Bei den beiden Lassolayes gab es offenbar keine Zweifel bezüglich ihrer Eignung. Die 1768 gewährte Regelung wurde auch vom neuen Herrscher anerkannt. Unter der Ägide seines Vaters konnte Joseph also 14 Jahre lang in das Amt hineinwachsen und besonders ein vom Vater begonnenes Zukunfts-Projekt erfolgreich fortsetzen: den Straßenbau.
Im 18. Jahrhundert nahm die Holzwirtschaft im Murgtal einen enormen Aufschwung. In Erbersbronn und Umgebung wurden Waldarbeiter angesiedelt. Holzabhängige Industrien wie Glashütten entstanden in der Wildnis. Für diese Entwicklung fehlte aber jegliche Infrastruktur. Das felsige Murgtal war für Fuhrwerke unpassierbar. Erste konkrete Planungen „in betreff der höchst nöthigen herstellung der landstraßen durch das Murgthal“ kamen von Lassolaye senior. Schon 1769 begann er mit dem Bau einer Landstraße von Gernsbach über Forbach zur Landesgrenze bei Schönmünzach. In diesem Zusammenhang wurde 1778 die Brücke in Forbach fertig gestellt. Doch das Projekt geriet ins Stocken. Es gab Kompetenzstreitigkeiten, besonders mit dem in Gernsbach mitregierenden Hochstift Speyer. Die Finanzierung war schwierig, das Land verschuldet. Als Carl Wilhelm von Lassolaye 1782 starb, war das Projekt noch nicht entscheidend vorangekommen. Das lag aber wohl nicht an ihm. Beim badischen Landesherrn war er auf jeden Fall hoch angesehen. Seine Verdienste waren auch ausschlaggebend dafür, dass er von Kaiser Joseph II. unter Verleihung eines eigenen Wappens 1780 in den erblichen Reichsfreiherren-Stand erhoben wurde.
Nach dem Tod des Vaters übernahm Joseph das Amt. Wohnung und Amtssitz befanden sich im Burgvogteihaus gegenüber dem Alten Rathaus Gernsbach. Die Markgrafschaft Baden war mittlerweile durch eine straffere Verwaltung besser organisiert. Joseph schaffte es innerhalb von nur elf Jahren, die Vision seines Vaters zu verwirklichen: die Landstraße durch das Murgtal. Ihr Verlauf ist heute noch erkennbar. Welcher enorme technische Aufwand nötig war, lässt sich am Denkmal an der Straße zwischen Hörden und Ottenau beobachten. Hier führte der Weg in früheren Zeiten über den „Hördelstein“, ein für Fuhrwerke höchst gefährlicher Weg. Unter Joseph von Lassolaye wurde das Problem gelöst. „Diesen Felsen sprengte man/und legte einen Fahrweg an“, so ist es auf dem Gedenkstein zusammen mit der Jahreszahl 1786 verzeichnet. (Fortsetzung folgt) |
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Joseph von Lassolaye, geboren 1746 in Gernsbach, folgte 1782 seinem Vater als Oberamtmann in der Grafschaft Eberstein mit Sitz in Gernsbach. In nur elf Jahren schuf er im Murgtal erstmals eine moderne Infrastruktur durch die Anlage einer Landstraße bis zur Landesgrenze in Schönmünzach. Für die Region brachte das ein bedeutendes Wachstum von Wirtschaft und Wohlstand. Doch bald schon kam eine neue Herausforderung auf den Oberamtmann zu. Am 24. April 1798 brannte fast die gesamte obere Altstadt von Gernsbach ab. Der Wiederaufbau, der ein völlig neues Stadtbild schuf, erfolgte nach Plänen von Friedrich Weinbrenner in wenigen Jahren. Zu diesem Erfolg trug Joseph von Lassolaye wesentlich bei, indem er sich bei seinem Landesherrn für die Unterstützung der Stadt einsetzte und zwischen Weinbrenner und den Bürgern vermittelte.
Lassolaye, im Lauf der Zeit zum Hofrat, Obervogt, Landvogt und Staatsrat avanciert, wurde 1809 Direktor des neu geschaffenen Murgkreises. Im Zug der Neuordnung Europas durch Napoleon war das kleine Land Baden zum Großherzogtum geworden und enorm gewachsen. Auf die Landesverwaltung warteten große Herausforderungen. Joseph von Lassolaye hatte nun seinen Amtssitz in Rastatt und war auch für Baden (das spätere Baden-Baden) zuständig, das er bereits vorher eine Zeit lang vertretungsweise verwaltet hatte. Zunächst sorgte er, wie bereits sein Vater, für die Instandsetzung der Straße zwischen Gernsbach und Baden(-Baden). Schon früh erkannte er, dass der Badeort an der Oos nach etlichen Kriegen und einer langen Zeit des Niedergangs eine Zukunft vor sich hatte, die es zu fördern galt. Durch seinen Großvater, den badischen Kammerrat Franz Lassolaye, war das ehemalige Gasthaus „Sonne“ (zwischen Sonnenstaffeln und Steinstaffeln), einer der ältesten Gasthöfe in Baden(-Baden), in sein Eigentum gelangt. Joseph von Lassolaye ließ es abreißen und nach Plänen von Weinbrenner das „Bad und Gasthaus zur Sonne“ (Gernsbacher Straße 13) errichten, das 1803 eröffnet und von einem Pächter erfolgreich betrieben wurde. Bald kaufte er weitere Immobilien dazu: die ehemalige Schule des 1773 aufgehobenen Jesuitenkollegs (Gebäude, in dem sich heute der Ratssaal des Baden-Badener Rathauses befindet) und das Jesuitenseminar (heute Gasthaus Löwenbräu), wo ebenfalls neue Bäder und Zimmer für Gäste geplant waren.
Bei diesen Investitionen hatte der Kreisdirektor aber nicht nur eigene Interessen im Auge. Er überließ der Stadt zum Beispiel die Nutzung des im Eigentum seiner Familie befindlichen Hofgutes jenseits der Oos, das als ländliches Erholungsareal beliebt war. Weinbrenners neues Kurhaus entstand auf dem ehemaligen Grund und Boden der Familie Lassolaye. 1811 erteilte die Stadt Joseph von Lassolaye persönlich und seiner ganzen Familie das Bürgerrecht. Der gesamten Bürgerschaft würde es, so die Stadtväter, zur „vorzüglichen Ehre gereichen, einen durch seine Verdienste um das Vaterland und seinen Fürsten so ausgezeichneten Mann zum Mitbürger zu haben“. Lassolaye wurde als erster Bürger von Baden-Baden auf diese Weise geehrt. Auch in den Schreiben zu seinem Dienstjubiläum (50 Jahre im Staatsdienst) 1818 kommt beeindruckend viel Anerkennung und Respekt zum Ausdruck. Der Kreisdirektor war aufgrund seiner Leistungen und seiner Stellung eine Institution. In seinen schriftlichen Zeugnissen findet man kein Selbstlob, das hatte er nicht nötig.
Joseph von Lassolaye starb am 22. März 1822 in Rastatt. Er wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung neben seiner Frau, seinen Eltern und neun seiner Kinder in Gernsbach auf dem Kirchhof neben der Liebfrauenkirche beigesetzt. Das war sein ausdrücklicher Wunsch. Im Murgtal sah er den Schwerpunkt seiner Lebensleistung. Es ist kein Portrait von ihm bekannt. Erst von seinem Sohn Carl (geboren 1784 in Gernsbach, Generalleutnant der badischen Armee) existiert ein Bild (zugänglich im Wehrgeschichtlichen Museum Rastatt).. |
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© Cornelia Renger-Zorn 1999-2024 letzte Aktualisierung: 1. Oktober 2024 |
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