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 Gernsbach in der
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175 Jahre Revolution in Baden und Gernsbach (Text und Fotos: Cornelia Renger-Zorn)

 In den Jahren 2023 und 2024 jährt sich die Revolution in Baden, in der Gernsbach eine nicht unwesentliche Rolle spielte, zum 175. Mal. Dieses Jubiläum ist Anlass, über die Ereignisse und Hintergründe zu berichten.

Zunächst sollen Lage und Stimmung in Gernsbach im Frühjahr 1848 beleuchtet werden.

Mitte März 1848 fand eine Versammlung in der Gernsbacher Gastwirtschaft „Badischer Hof“ (Amtsstraße 23, 1960 abgerissen) statt, bei der die Gemüter sich derart erhitzten, dass im weiteren Verlauf ein Bild König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen verbrannt wurde. Auf dieser Versammlung wählte man Delegierte (darunter den Schiffer und Gemeinderat Friedrich August Schickardt), die an der für den 2. April 1848 anberaumten Volksversammmlung in Achern teilnehmen sollten, wo Josef Fickler, der landesweit bekannte Herausgeber und Redakteur der Konstanzer „Seeblätter“, die Einführung der Republik in Baden und ganz Deutschland propagierte. Auch der Wirt des Badischen Hofes, Gustav Wallraff, war als überzeugter Republikaner bekannt. In Gernsbach, über Jahrhunderte hindurch von Grafen, Markgrafen, Bischöfen und Großherzögen regiert, erhoben sich also Stimmen, die offen über einen möglichen radikalen Umsturz der Machtverhältnisse sprachen. Was war geschehen?

Deutschland war in 35 von Fürsten beherrschten Einzelstaaten aufgesplittert, die im Deutschen Bund zusammengeschlossen waren. Dieser Bund, 1815 nach dem Sieg über Napoleon gebildet, enthielt in seinen Statuten einen Artikel, nach dem in den Einzelstaaten Verfassungen eingerichtet werden sollten. Die Völker der einzelnen Staaten hofften auf politische Mitbestimmung und darüber hinaus auf eine Umwandlung des Staatenbundes in einen deutschen Nationalstaat. Diese Hoffnung wurde aber im Wesentlichen durch die reaktionären Vormächte des Deutschen Bundes, Preußen und Österreich, schwer enttäuscht. Das Großherzogtum Baden galt im Reigen der Monarchien noch als fortschrittlich, da es bereits 1818 eine Verfassung erhalten hatte, die ein gewisses Maß an politischer Mitbestimmung gewährte. Allerdings wurde die in Teilen bereits erreichte Entwicklung hin zu mehr Liberalismus auf Druck von Preußen und Österreich durch Repressionsmaßnahmen wie Pressezensur und Verbot politischer Vereine wieder massiv eingeschränkt. Überall steigerten sich bei den Menschen Enttäuschung und Wut gegen die reaktionären Machthaber und ihre Unterdrückungsmethoden. Figuren, gegen die sich der Hass besonders richtete, waren der preußische König Friedrich Wilhelm IV. und der österreichische Staatskanzler Fürst Metternich.

Die Lage eskalierte, als die Franzosen im Februar 1848 ihren König stürzten und die (zweite) Republik ausriefen. Nun gab es auch in Deutschland kein Halten mehr. An vielen Orten erhob sich das Volk und forderte stürmisch, was seine Fürsten ihm so lange nicht hatten gewähren wollten: bürgerliche Grundrechte, politische Mitbestimmung und die deutsche Einheit. Aus Angst vor revolutionären Flächenbränden gingen die Fürsten überall auf die „Märzforderungen“ ein, gewährten Grundrechte und beriefen liberale „Märzregierungen“. Auch in Baden wurden konservative Minister ausgetauscht und die Pressezensur aufgehoben. Aufbruchsstimmung machte sich breit, die Bevölkerung artikulierte ihre politischen Ambitionen in zahlreichen Volksversammlungen. Die Gernsbacher erfuhren von den neuesten Entwicklungen durch Mitbürger, die an solchen Versammlungen teilgenommen hatten wie zum Beispiel Friedrich August Schickardt. Den Honoratioren und besser gestellten Bürgern der Stadt, die der örtlichen Lesegesellschaft angehörten, standen darüber hinaus mehrere Zeitungen zur Verfügung, die im Versammlungslokal der Lesegesellschaft in einem Nebenraum des „Badischen Hofes“ auslagen.

Die Gernsbacher Lesegesellschaft war bereits im Dezember 1847 gegründet worden. Ihr gehörten Bürger an wie Gemeinderäte, Beamte, Pfarrer, Arzt, Apotheker, Murgschiffer, kurz diejenigen, die sich die fünf Gulden Jahresbeitrag (etwa zehn Prozent des Jahreseinkommens eines Tagelöhners) leisten konnten. Während zunächst Geselligkeit und Bildung im Vordergrund standen, gewann die politische Thematik bald die Oberhand. Nicht allen Gernsbacher Bildungsbürgern war die Entwicklung geheuer. Was Friedrich August Schickardt von der Volksversammlung am 2. April in Achern zu berichten hatte, klang auf jeden Fall nach radikalem Umsturz.

Dort war ein Programm beschlossen worden, das unter anderem „Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle ohne Unterschied der Geburt, des Standes und des Glaubens“, „Aufhebung der erblichen Monarchie“ und eine föderative deutsche Bundesverfassung „nach dem Muster der nordamerikanischen Freistaaten“ verlangte. Dieses Programm orientierte sich an den Vorstellungen der radikalen, republikanisch gesinnten Demokraten um die Mannheimer Juristen Friedrich Hecker und Gustav Struve, deren Forderungen auch bereits soziale Komponenten enthielt wie zum Beispiel die progressive Einkommenssteuer.

Anders als die liberal gesinnten Abgeordneten der zweiten Kammer des badischen Landtags lehnten die antimonarchistischen Demokraten eine politische Neuordnung in Zusammenarbeit mit den Fürsten ab. Ende März plädierten sie im Frankfurter Vorparlament, das die Wahlen zu einer gesamtdeutschen, verfassunggebenden Nationalversammlung organisieren sollte, für die sofortige Einführung der Republik, wurden aber auch hier von der liberalen Mehrheit überstimmt, die es der zu wählenden Nationalversammlung überlassen wollte, die künftige Staatsform Deutschlands zu bestimmen. In Baden setzten die Demokraten mangels parlamentarischer Mehrheit auf außerparlamentarische Opposition. Sie mobilisierten die Massen landesweit durch zahlreiche Volksversammlungen, um ihre Stärke zu zeigen und Anhänger zu gewinnen. Zur Organisation des Volkes und zur Durchsetzung radikaler Ziele wurden Ausschüsse auf regionaler Ebene gebildet.

Auch in Gernsbach hatte sich bereits radikaleres Gedankengut verbreitet. Friedrich Schickardt ließ sich in Achern in den Ausschuss des Mittelrheinkreises wählen, bekannte sich also zur Republik. Gustav Wallraff, der Wirt des Badischen Hofes, war sogar ein überregional bekannter Republikaner. Man kann sich vorstellen, dass die Stimmen der radikal Gesinnten besonders in seinem Lokal laut wurden. Im März 1848 war die Stimmung in Gernsbach aber noch überwiegend regierungstreu, so dass Oberamtmann Georg Albert Oehl vom Bezirksamt Gernsbach nach Karlsruhe berichten konnte: „Die Gesinnung der Bewohner des Murgthals ist für den durchlauchtigsten Landesfürsten bei Arm und Reich ohne Unterschied der politischen Farbe sehr gut und gediegen zu nennen.“ Andererseits, so der Oberamtmann weiter, habe sich in Gernsbach ein Zwiespalt in der Bürgerschaft ergeben. Nach seiner Schilderung wollte ein Teil der Bürger ein Dankschreiben an Großherzog Leopold richten dafür, dass der die Pressefreiheit bewilligt und die Einrichtung von Schwurgerichten (statt der bisherigen geheimen Kabinettjustiz) und die Einführung der Volksbewaffnung (Bürgersoldaten statt nur vom Regenten abhängige Truppen) in Aussicht gestellt hatte. Andere, darunter Bürgermeister und Gemeinderäte, wollten darüber hinaus auch noch die Abschaffung der Bestätigung der Bürgermeisterwahlen durch die Staatsbehörde erreichen.

Offenbar brodelte es in der Stadt, die „Märzerrungenschaften“ elektrisierten die Menschen. Wie Oehl berichtet, wurde der Polizei öfter der Ausdruck „Preßfreiheit!“ entgegengerufen, wenn sie zum Ankündigen der Polizeistunde in den Wirtshäusern erschien. „Preßfreiheit“ galt offenbar als Schlagwort schlechthin für den Widerstand gegen verhasste staatliche Bevormundung, wie zum Beispiel die frühe Polizeistunde um 22 Uhr. Dennoch war der Oberamtmann überzeugt, dass er dem Großherzog im Fall von Unruhen 150 bis 200 zuverlässige Bürger nach Karlsruhe zur Unterstützung der Polizei schicken könnte. Nach seinem Bericht spielten die erklärten Regimegegner in der etwa 2200 Einwohner zählenden Stadt Gernsbach offenbar noch keine Rolle.

Hecker-Aufstand und Fackelzug auf Schloss Eberstein.

Die Gernsbacher, die am 23. April 1848, einem Sonntag, im Clubzimmer der Lesegesellschaft im „Badischen Hof“ (vormals Amtsstraße 23) die „Deutsche Zeitung“ aufschlugen, lasen Schockierendes: Regierungstruppen hatten einen Aufstand der Republikaner niedergeschlagen. Die Hoffnung des Anführers Friedrich Hecker, große Volksmassen mobilisieren zu können, war gescheitert. „Wo man auf Tausende rechnete, sind Dutzende erschienen“, berichtete das Blatt.

Der Mannheimer Rechtsanwalt Friedrich Hecker (1811-1881), entschiedener Demokrat und Republikaner, hatte am 13. April einen Aufstand zur Errichtung der Republik vom Zaun gebrochen. Er befürchtete, die gemäßigt-liberale Mehrheit im Frankfurter Vorparlament (das die Wahl zu einem verfassunggebenden gesamtdeutschen Nationalparlament organisieren sollte) werde die Gunst der revolutionären Stunde verspielen und den Fürsten erlauben, ihre Macht wieder zu konsolidieren. Doch Heckers schlecht vorbereiteter Aufstand blieb ohne die erhoffte Resonanz und wurde durch reguläre badische, hessische und württembergische Truppen zwischen dem 20. und 27. April bei Kandern, Freiburg und Niederdossenbach (Kreis Lörrach) blutig niedergeschlagen. Hecker floh in die Schweiz, später in die USA. Im September versuchte sein Gesinnungsgenosse Gustav Struve noch einmal, mit nur etwa 500 Unterstützern von Lörrach aus die Republik gewaltsam durchzusetzen. Auch dieser Putsch wurde niedergeschlagen, Struve verhaftet.

Ob Gernsbacher an diesen Aufständen beteiligt waren, ist nirgends überliefert. Was die meisten darüber dachten, dürfte der Meinung des durchaus liberalen Zeitungskommentators entsprochen haben: „Das Gefühl der Befriedigung, das dieser Sieg der Ordnung und Gesetzlichkeit in jedem Patrioten erregen muss, wird durch den Gedanken getrübt, dass Deutsche gegen Deutsche fochten“. Auch ein erklärter Republikaner wie Robert Blum, der Führer der sächsischen Demokraten und Abgeordneter des Frankfurter Vorparlaments, der einige Monate später auch in Gernsbach eine Rolle spielen sollte, wetterte gegen die „wahnsinnige Erhebung“, die für die Diskreditierung der Republikaner gesorgt habe. Der Sulzbacher Bürgermeister Peter Kraft dagegen meinte: „Vivat, der Hecker soll leben; jetzt zahlen wir nichts mehr!“ Das war aber weniger ein qualifiziertes Urteil über den Aufstand, sondern drückte eher die allgemeine Hochschätzung für Hecker aus, der trotz seiner missglückten Erhebung ein Mythos und ein Idol des Freiheitskampfes gegen staatliche Willkür blieb – vielleicht auch, weil er am endgültigen Scheitern der Revolution 1849 nicht mehr beteiligt war.

Gewalt als Mittel der Politik war auch in Gernsbach verpönt. Die meisten Bürger wollten die im März 1848 errungenen Freiheitsrechte nicht gefährden. Der Großherzog galt nach wie vor als legitimer Landesherr, für einen weiteren Umbau der Verfassung in Richtung Liberalismus blickte man hoffnungsvoll nach Frankfurt, wo zuerst das Vorparlament tagte und im Mai 1848 die Nationalversammlung in der Paulskirche zusammentrat, um eine Verfassung für einen neu zu schaffenden deutschen Gesamtstaat auszuarbeiten. Auch viele von denen, die eine Republik befürworteten, überließen die Entscheidung über die Staatsform lieber diesem vom Volk gewählten Parlament. Als Dank für die Niederschlagung des Heckeraufstands wurde in Gernsbach zu Ehren des Großherzogs sogar durch „sämmtliche hiesige Bürger“ ein Fackelzug zum Schloss Eberstein abgehalten, wie der Gernsbacher Wilhelm Seyfarth berichtet.

Gemäßigte Liberale und Demokraten: Wilhelm Seyfarth, Franz Kürzel, Johann Carl Drissler

Seyfarth war ein typisches Beispiel für einen der liberalen Entwicklung aufgeschlossenen, dabei aber regimetreuen Bürger. Geboren 1810, lernte er das Handwerk des Siebmachers in Calw. Nach der Lehrzeit bereiste er, wie er schreibt, „die größten Städte Deutschlands“, und kehrte 1834 nach Gernsbach zurück, wo er sein Geschäft in der Waldbachstraße gründete. Die von ihm gefertigten „Metalltücher“ (Gewebe aus Messingdraht) wurden erfolgreich in den Papierfabriken eingesetzt. 1846 erhielt er auf einer Gewerbeausstellung in Karlsruhe aus der Hand des Großherzogs sogar „die große silberne Preismedaille“. Seit etwa 1843 saß Seyfarth im Gernsbacher Gemeinderat, im Frühjahr 1848 kaufte er, sozusagen als berufliches zweites Standbein, noch das Gasthaus „Zum Bock“ am Stadtbuckel.  Wie er später schreibt, bereitete ihm die mit Bewegung verbundene Tätigkeit als Gastwirt aufgrund einer früheren Verletzung (auf seiner Wanderschaft nach der Lehre war er vom Blitz getroffen worden) weniger Schmerzen als langes Sitzen. Der „Bock“ sollte 1849 neben dem „Badischen Hof“ zum Zentrum der radikalen Demokraten werden, aber noch gab es keinen Grund, auf Umsturz zu sinnen. Noch hoffte man, ein geeintes Deutschland mit einer freiheitlichen Verfassung auf friedlichem Weg und in Zusammenarbeit mit dem Großherzog zu erreichen. Seyfarth stand der Staatsform einer Republik nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, wollte sie aber, wie die meisten seiner Mitbürger, keineswegs durch Gewalt erzwingen. Als Gemeinderat wurde er dann aber 1849 doch in die revolutionären Ereignisse mit hineingezogen und 1852 wegen Hochverrats verurteilt, was vermutlich zu seinem frühen Tod 1856 beitrug. Auf dem evangelischen Friedhof erinnert ein Gedenkstein an ihn und seinen gleichnamigen Enkel.

Ähnlich wie Seyfarth dachten auch die Inhaber der örtlichen Apotheke (Hauptstraße 31, heute Gaststätte „Altstadt Da Orazio“), Heinrich und Engelhard Sonntag (Vater und Sohn), oder der praktische Arzt Franz Kürzel (geboren 1814). Letzterer kam aus einer Freiburger katholischen Familie, sein Bruder war Pfarrer in Ottersweier. 1841 ist Kürzel als Assistent des renommierten Mediziners Carl Heinrich Baumgärtner an der Universitätsklinik Freiburg nachgewiesen. Ob Kürzel in Freiburg promoviert hat, lässt sich nicht nachweisen. In den Akten der Gernsbacher Volkszählung vom Juli 1848 ist er jedenfalls als „Doctor Kürzel“ verzeichnet. 1843 praktizierte er in Kappelrodeck, danach in Gernsbach. Dort war er als praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer im Spital in der Waldbachstraße (Haus Nr. 45) zusammen mit dem Chirurgen Carl Gasteiger tätig. Gasteiger wohnte mit seiner Familie im Spital, der ledige Kürzel im nahe gelegenen Haus des Bierbrauers Heinrich Wallraff. Der Arzt hatte seine Mitbürger Ende 1847 zur Gründung der Gernsbacher Lesegesellschaft ermuntert und war zu deren Vorstand gewählt worden. Durch seine ausgleichende Art gelang es ihm immer wieder, Streitigkeiten zwischen den politischen Lagern zu schlichten.

Zu den gemäßigten Demokraten zählte auch der Gernsbacher Bürgermeister Johann Carl Drissler (geboren 1795). Laut Volkszählung von 1848 wohnte er in der „Oberstadt 262“. Diese Adresse könnte mit der heutigen Storrentorstraße 6 übereinstimmen (zu diesem Schluss kam 1999 auch der damalige Stadtarchivar Winfried Wolf). Als Hausbewohner werden Drissler, seine Frau, Sohn Carl, drei minderjährige Töchter und eine Dienstmagd aufgeführt. Später ebenfalls wegen Hochverrats verurteilt, schreibt Drissler 1856, er sei elf Jahre lang (1838 bis 1849) Bürgermeister gewesen und habe das Amt „zur Zufriedenheit der hohen Staatsbehörde“ und der Mitbürger verwaltet. Im Juni 1849 wurde er mit beinahe 100 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 71 Prozent als Bürgermeister wiedergewählt. „Dein Alter ging mit Glanz durch“, meinte Wachtmeister Wilhelm Rothengatter zu Drisslers Sohn. Der Bürgermeisterposten war ein niedrig honoriertes Ehrenamt. Drissler, im Hauptberuf Holzhändler, versteuerte nach einer Aufstellung von 1839 jährlich ein Kapital von 16.000 Gulden. Mehr versteuerten nur wenige Mitbürger wie der jüdische Handelsmann Löw Dreyfuß (21.640 Gulden) oder die Murgschiffer Casimir Kast (27.000 Gulden) und Casimir Katz (34.100 Gulden).

 

 Ein Beispiel für die real existierende Pressefreiheit in Baden vom April/Mai 1848.

 „Murgthalbote oder Gernsbacher Intelligenz- und Wochenblatt“, so nannte sich die neue Zeitung, die im April 1848 erstmals erschien. Die Gewährung der Pressefreiheit nach der Märzrevolution hatte es möglich gemacht. Herausgeber und Redakteur war der 38jährige Franz Karl Müller, wohnhaft in Gernsbach. Gleich in der zweiten Ausgabe vom 13. April bekannte er sich zum „liberal-constitutionellen System“. Wenig später war das Blatt aber schon verboten – trotz Pressefreiheit.

Der „Murgthalbote“ erschien sonntags und donnerstags und enthielt politische Nachrichten, aber auch Informationen zu Landwirtschaft, Handel und Gewerbe wie zum Beispiel die aktuellen Getreidepreise. Gedruckt wurde das Blatt bei Buchdrucker Weiß in Baden-Baden. Bereits nach drei Wochen zählte es 156 Abonnenten. Trotz Müllers Bekenntnis zu gemäßigten Reformen enthielt seine Auflistung „Deutschlands constitutionelle Wünsche“ in der Ausgabe vom 13. April nicht nur liberale Forderungen wie die nach langfristiger Pressefreiheit und unabhängiger Justiz, sondern auch Punkte, die eher den Zielen der radikalen Republikaner um Friedrich Hecker und Gustav Struve entsprachen, zum Beispiel die Trennung von Kirche und Staat, eine progressive Einkommens- und Vermögenssteuer, die Auflösung des kostspieligen stehenden Heeres oder die Abschaffung der Apanagen (Unterhaltsleistungen aus Steuergeldern für Mitglieder des Fürstenhauses).

Albert Öhl, monarchistisch-reaktionär gesinnter Leiter des Bezirksamts Gernsbach, sah im „Murgthalboten“ nur eine überflüssige Plattform für „Partheizwecke“ und drohte mit der Einstellung des Blattes, da Herausgeber Müller wegen „nothorischer Armuth“, so das Amt, die laut Presseverordnung vorgeschriebene Kaution von 1000 Gulden nicht gestellt hatte. Am 30. April bat Müller um Erlass der Kaution. Er gab an, die Zeitung gegründet zu haben, um seine Familie ernähren zu können. Es kam zu einem längeren Schriftwechsel zwischen Müller, dem Bezirksamt und der Regierung in Karlsruhe.

Währenddessen fanden in den Einzelstaaten die Wahlen für die Abgeordneten der verfassunggebenden Nationalversammlung in Frankfurt statt. Im Wahlkreis Baden-Baden, Rastatt, Gernsbach war der gemäßigt-liberale Landtagsabgeordnete Friedrich Bassermann als Kandidat vorgeschlagen worden. Der „Murgthalbote“ vom 11. Mai plädierte nun vehement dafür, stattdessen den für seine Aufgeschlossenheit gegenüber republikanischen Ideen bekannten Adam von Itzstein aufzustellen. Der populäre Itzstein war gleich in mehreren Wahlkreisen von den Radikalen aufgestellt worden. Da er die Wahl nur in einem Wahlkreis annehmen durfte, hoffte man in den anderen Wahlkreisen auf die Nachwahl von ebenfalls republikanisch gesinnten Kandidaten.

Zeitungsmacher Müller hatte sich mit diesem Artikel klar zur Republik bekannt. Aufgrund des Ende April 1848 niedergeschlagenen Hecker-Aufstandes in Südbaden war das Vorgehen der Regierung gegen entschiedene Republikaner aber verschärft worden. Öhl konnte wegen des Artikels selbst nicht gegen Müller vorgehen, da der die Urheberschaft abstritt. Die Zeitung wurde nun aufgrund der immer noch fehlenden Kaution unter Androhung eines Bußgelds verboten. Laut Auskunft des Gemeinderates hatte Müller eine Frau und vier Kinder zu versorgen. 13 Jahre lang hatte er eine Gärtnerei und Samenhandlung in Mannheim betrieben, 1845 war er nach Gernsbach gezogen und hatte dort eine Zeitlang die „Aufsicht über die Gemeindebaumschule“. Die Familie wohnte in der südlichen Igelbachstraße 82. Am 18. Mai war Müller, wie seine Frau mitteilte, nach Hochstein (nahe Kaiserslautern) gegangen, vermutlich auf der Suche nach Arbeit. Vorher hatte er noch eine Erklärung für seine „verehrlichen Abonnenten“ drucken lassen. Er sei, wie er schreibt, an Schikanen, Druck und Willkür gewöhnt und lasse sich nicht entmutigen. Franz Karl Müllers weiteres Schicksal ist unbekannt. Den Gernsbachern blieb eine ernüchternde Erfahrung in Sachen real existierender Pressefreiheit im Großherzogtum Baden.

 

Bürger in Uniform oder Hilfstruppe des Großherzogs? Die Gernsbacher Bürgerwehr. 

 Am 18. Mai 1848 nahm die Nationalversammlung in Frankfurt ihre Arbeit auf, um Deutschland eine Verfassung zu geben. Gleichzeitig trieb auf Landesebene die badische Regierung umfangreiche Reformen voran. Dem Verlangen der Bevölkerung nach Pressefreiheit war bereits entsprochen worden. Noch im März wurde auch die Forderung nach Volksbewaffnung im sogenannten Bürgerwehrgesetz umgesetzt.

Nach diesem Gesetz sollte in jeder Gemeinde des Großherzogtums eine Bürgerwehr aufgestellt werden. Als Wehrpflichtige kamen Männer vom 21. bis 55. Lebensjahr in Frage. In Gernsbach wurden die Listen der Wehrpflichtigen (im Landesarchiv Karlsruhe erhalten) auf Anweisung von Bürgermeister Drissler und dem Gemeinderat aus den Standesbüchern erstellt. Das evangelische Stadtpfarramt meldete 387 Männer, das katholische Stadtpfarramt 137. Dazu kamen noch sieben Israeliten. Im Ganzen standen also 532 Männer im Alter zwischen 21 und 55 Jahren zur Verfügung, von denen aber nicht alle aufgestellt wurden. Wehrpflichtige, die vom Dienst befreit waren, zahlten laut Gesetz einen nach ihren Vermögensverhältnissen festzustellenden jährlichen Beitrag von 2-50 Gulden in eine Wehrkasse.

Die Kleidung der Bürgerwehr blieb jeder Gemeinde überlassen. Die Bewaffnung bestand in Säbel, Gewehr und Patronentasche. Der Säbel und die mit der Ebersteiner Rose verzierte Patronentasche des 36jährigen Bürgerwehr-Kommandanten Wilhelm Grötz sind im Stadtarchiv Gernsbach erhalten. Die Gewehre waren auf Beschluss des Gemeinderates zunächst aus der Gemeindekasse angeschafft worden, obwohl laut Bürgerwehrgesetz jeder Wehrmann die Kosten für seine Bewaffnung selbst zu tragen hatte. Als Bürgermeister Drissler die Wehrmänner zur Zahlung aufforderte, warfen 100 Wehrmänner aus Protest ihre Gewehre dem Bürgermeister vor die Füße, wie ein Zeitzeuge berichtet. Erst nachdem ihnen erklärt worden war, dass nach dem Gesetz die „unbemittelten“ Wehrmänner Anspruch auf Ersatz aus der Wehrkasse hatten, nahmen sie die Waffen wieder auf. Zu den „Unbemittelten“ zählten in Gernsbach besonders die Tagelöhner, von denen es nach den Volkszählungslisten von 1848 (Stadtarchiv Gernsbach) etwa 60 gab.

Die Bürgerwehr vereinte Männer verschiedener politischer Couleur. Sogar der erzkonservative Amtmann Louis Dill war Mitglied. Alle hatten denselben Eid geschworen: Treue dem Großherzog, Gehorsam dem Gesetz, Verteidigung des Landes und der Verfassung gegen innere und äußere Feinde. Angriffe von außen erwartete man zunächst vom revolutionären Frankreich, was sich aber als unbegründet erwies. Verteidigung gegen den inneren Feind wurde von gemäßigten Liberalen und Republikanern verschieden gedeutet. Die einen verstanden die Bürgerwehr als eine Art staatliche Hilfstruppe zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung gegen radikale Umstürzler, die anderen als Miliz, die mit dem regulären großherzoglichen Heer zu einer vom Parlament kontrollierten Armee von „Bürgern in Uniform“ verschmolzen werden und die erreichten Freiheitsrechte verteidigen sollte. Diese unterschiedlichen Auffassungen führten im Dezember 1848 zum endgültigen Bruch. Anlass war die Gedenkfeier für den in Wien hingerichteten Robert Blum, Vorkämpfer der republikanisch gesinnten Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung. Der konservativ gesinnte Kommandant Grötz weigerte sich, der Bürgerwehr die geschlossene Teilnahme zu befehlen. Die republikanisch gesinnten Wehrmänner traten daraufhin nach der Feier aus der Bürgerwehr aus. Bürgermeister Drissler suchte die nunmehr rein konservative Truppe gegen den Widerstand des Bezirksamtes aufzulösen. In der Revolution des Jahres 1849 spielte die Bürgerwehr in Gernsbach keine tragende Rolle mehr.

 

Hoffnung auf Gleichberechtigung. Die Gernsbacher Juden 1848.

 In der Ausgabe der „Deutschen Zeitung“ vom 18. Mai 1848 fand sich eine Meldung, die besonders die jüdischen Mitbürger interessiert haben dürfte: Im Herzogtum Lauenburg (heute Kreis in Schleswig-Holstein) war der Hamburger Jurist Dr. Gabriel Riesser als Abgeordneter in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt worden. Riesser war der prominenteste von fünf Juden, die im ersten gesamtdeutschen Parlament saßen.

Das Parlament bestand aus etwa 600 Deputierten, durch Ein- und Austritte von Abgeordneten kam es im Lauf der Zeit seines Bestehens (Mai 1848 bis Mai 1849) auf etwa 800 Männer. Der Anteil der Abgeordneten jüdischen Glaubens betrug also 0,6 Prozent. Nach der Volkszählung von 1848 betrug der Anteil der jüdischen Bevölkerung in dem rund 2200 Einwohner zählenden Gernsbach etwa zwei Prozent (13 Männer, 16 Frauen und acht Kinder). Raphael Weil und Benedikt Kaufmann spielten in der Revolution eine besondere Rolle.

In Baden bemühten sich die Juden seit Jahren in zahlreichen Petitionen an den Landtag vergeblich um volle Gleichberechtigung. Von den Staatsämtern waren sie immer noch ausgeschlossen. In den Gemeinden konnten sie nicht Bürgermeister oder Gemeinderat werden, ihren Wohnsitz nicht frei wählen. Auch die liberale badische Märzregierung von 1848 änderte daran nichts. Einerseits wollte sie der Gesetzgebung des Nationalparlaments in Frankfurt nicht vorgreifen. Andererseits war sie froh, sich vorerst nicht mit diesem unpopulären Thema beschäftigen zu müssen. Erst im März 1848 hatte es im Odenwald, im Kraichgau und auch in Mannheim Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung gegeben.

Im August 1848 beschloss das Frankfurter Parlament über den Wortlaut des Paragraphen 146 der neuen Reichsverfassung: „Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt.“ Ein Abgeordneter plädierte dagegen mit dem Hinweis, die Juden könnten „vermöge ihrer Abstammung dem deutschen Volk niemals angehören“. Antijüdische Stereotype waren auch unter Liberalen damals verbreitet. Gabriel Riesser (1806-1863, erster Richter jüdischer Religion in Deutschland) verteidigte den von ihm initiierten Gesetzestext: „Die Juden werden immer begeistertere und patriotischere Anhänger Deutschlands unter einem gerechten Gesetze werden. … Es ist Ihnen vorgeschlagen, einen Theil des deutschen Volks der Intoleranz, dem Hasse als Opfer hinzuwerfen. Das werden Sie aber nimmermehr thun, meine Herren!“ Riessers Rede wurde mit großem Beifall aufgenommen, der Paragraph 146 mehrheitlich beschlossen. Damit waren die Juden gleichberechtigt – zum ersten Mal in der deutschen Geschichte.

Auch für die Juden in Gernsbach gab die Nationalversammlung in Frankfurt also Grund zur Hoffnung. Eine besonders aktive Rolle im Demokratisierungsprozess spielte Raphael Weil (geboren 1815). Er stammte aus einer weitverzweigten jüdischen Familie aus Bühl. Da sein Vater Konkurs gemacht hatte, wuchs er in sozial schwierigen Verhältnissen auf. Am 12. Oktober 1847 wurde er als Ratsschreiber von Gernsbach verpflichtet. Allerdings ging diese Ernennung wohl nicht ganz reibungslos vonstatten, wie eine Akte im Stadtarchiv verrät. Der Ratsschreiber musste auch Gemeindebürger sein, was bei Weil nicht der Fall war. Dennoch agierte er in der Folgezeit als Ratsschreiber mit dem recht stattlichen jährlichen Gehalt von 365 Gulden. Anscheinend wurde er vom demokratisch gesinnten Teil des Gemeinderates favorisiert.

Weil war ledig und wohnte am oberen Ende der Waldbachstraße bei einer Witwe im Haus. Er war entschiedener Republikaner. Während der badischen Revolution im Mai und Juni 1849 spielte er eine entscheidende Rolle, über die in dieser Serie später noch berichtet wird, und floh danach in die USA. Aus dem Jahr 1870 existiert ein Schreiben von ihm an das Bürgermeisteramt Gernsbach. Daraus geht hervor, dass er als Amtsträger des Staates New York im Einwanderungszentrum „Emigrant Landing Depot“ in Castle Garden (Südspitze von Manhattan) tätig war.

 

Benedikt Kaufmann - ein jüdisches Schicksal in Gernsbach.

 Das erste gesamtdeutsche Parlament in der Frankfurter Paulskirche beschloss im August 1848 die Gleichberechtigung der Juden. Das motivierte auch einige jüdische Mitbürger in Gernsbach, sich verstärkt für den demokratischen Fortschritt einzusetzen.

Benedikt Kaufmann (geboren 1820) war der einzige Sohn von Nathan und Nanette (Nendel) Kaufmann. Die Familie wohnte in der Amtsgasse Nr. 278, wahrscheinlich zwischen dem „Badischen Hof“ (heute Amtsstraße Nr. 23, damals Amtsgasse 269) und dem Alten Rathaus. Nathan Kaufmann (geboren 1785) war 1839 als Händler mit einem jährlichen Steuerkapital von 5720 Gulden gelistet. Das war mehr als ein Handwerksmeister im Durchschnitt hatte, aber kein Spitzenverdienst. 1810 taucht er in einer Liste noch als ledig und vermögenslos auf. Offenbar brauchte er zehn Jahre, um wirtschaftlich in Gernsbach Fuß zu fassen. Seine Kinder Benedikt (eigentlich Benjamin) und Klara (auch als Rahel bezeichnet) wurden spät geboren.

Benedikt hatte seinen Vornamen vermutlich von seinem ursprünglichen Namen „Benjamin“ an eine christlich klingende Form angeglichen. Bei der Anpassung an seine Umgebung halfen ihm wohl auch seine „Geselligkeit“ und „Gutmütigkeit“, die ihm seine Eltern in einem späteren Gnadengesuch bescheinigten. Von Anfang an gehörte er der im Dezember 1847 gegründeten Gernsbacher Lesegesellschaft an. Erlernt hatte er laut eigenen Angaben den Beruf des Großhandelskaufmanns. Seine Schwester Rahel war mit einem Cousin des Ratsschreibers Weil verheiratet.

In die Revolution wurde Kaufmann durch die sogenannte „Reichsverfassungskampagne“ im Mai und Juni 1849 verwickelt, über die später noch genauer in dieser Serie berichtet wird. Schon an dieser Stelle lässt sich aber feststellen, dass seine Rolle im Aufstand geringfügig war. Dennoch wurde er wegen Hochverrats am 10. Januar 1852 in zweiter Instanz zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren in normaler Haft oder zwei Jahren in Einzelhaft verurteilt. Zwischen seiner Verhaftung im Juli 1849 und dem endgültigen Urteil verbrachte er etwa 24 Monate lang in Untersuchungshaft. Dabei zog er sich laut ärztlichen Attesten eine schmerzhafte Gesichtsrose zu. Die Dauer der Untersuchungshaft wurde aber keineswegs, so wie heute, auf das Strafmaß angerechnet! Kaufmann wurde im März 1852 zur Verbüßung der vollen Strafe von zwei Jahren in das 1848 eröffnete Männerzuchthaus Bruchsal eingeliefert. Dort praktizierte man einen umstrittenen neuen Strafvollzug, nämlich die Einzelhaft. Die Häftlinge wurden dabei vollständig voneinander isoliert und durften nur Kontakt mit dem Gefängnispersonal haben. Wenn sie ihre Zelle verließen, zum Beispiel zum Gottesdienstbesuch, mussten sie eine Art Maske tragen, um sich gegenseitig nicht erkennen zu können.

Nach etlichen Gnadengesuchen, auch von Seiten seiner Eltern, kam Kaufmann im August 1853 frei. Die damals übliche Nebenfolge der Zuchthausstrafe, nämlich der Verlust seiner bürgerlichen Rechte, blieb allerdings bestehen. Ein selbständiges Geschäft konnte er nicht mehr führen. Um sich zu rehabilitieren, musste er den staatlichen Behörden sein „Wohlverhalten“ nachweisen. Sechs Jahre lang arbeitete er als „Comis“ (kaufmännischer Angestellter) der Firma David Dreyuß in Bruchsal. Dreyfuß stellte seinem Angestellten „Benedikt Leopold Kaufmann“ 1859 ein Zeugnis aus, wonach sich dieser „sowohl in politischer Beziehung als auch in Treu und Rechtschaffenheit“ zur „vollkommenen Zufriedenheit aufgeführt“ habe. Dieses Zeugnis wurde vom Bruchsaler Bürgermeister nochmals beglaubigt, worauf Kaufmann 1860, also elf Jahre nach der Revolution und acht Jahre nach seiner Verurteilung, wieder seine vollen Bürgerrechte erhielt.

Nach seiner Entlassung 1853 war Kaufmann nach Hilsbach (Stadtteil von Sinsheim im Kraichgau) gezogen, wo es eine jüdische Gemeinde gab. Der zweite Vorname „Leopold“, den er sich später zulegte, deutet auf seinen unbedingten Willen hin, sich so weit wie möglich in die deutsche Gesellschaft einzufügen. Was aus ihm und seinem Vater Nathan wurde, ist bis dato unbekannt. Seine Mutter Nendel starb im März 1859, ihr Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Kuppenheim.

 

© Cornelia Renger-Zorn 1999-2023
letzte Aktualisierung: 30. Mai  2023

Karikatur Reiterei 48

Karikatur zur Märzrevolution 1848: Endlich darf einmal der deutsche Michel reiten, anstatt immer nur von seinen gekrönten Häuptern geritten zu werden! (Aus Hans Blum, Die Deutsche Revolution, Leipzig 1897)

Badischer Hof

Der ehemalige “Badische Hof” in Gernsbach (Amtsstraße 23)

Hecker

Friedrich Hecker, Mythos der Revolution (aus Hans Blum)

Goldener Bock

Gasthaus “Zum Bock” (heute “Goldener Bock” genannt), Gernsbach, Hauptstraße 20

Grabstein Seyfarth

Grabstein für den Bockwirth Wilhelm Seyfarth und seinen Enkel auf dem evangelischen Friedhof Gernsbach.

Amtshaus Gernsbach

Ansicht von etwa 1916: Gegenüber vom Alten Rathaus, auf der linken Seite, sieht man das (heute nicht mehr existierende) Amtshaus (mit dem großen Dach), wo der reaktionäre Oberamtmann Albert Öhl residierte. Bei den Gernsbachern war er wenig beliebt.

Saebel Groetz

Säbel, Scheide und Patronentasche des Bürgerwehrkommandanten Wilhelm Grötz,
mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs Gernsbach

Paulskirche

Die Frankfurter Paulskirche, Tagungsort der deutschen Nationalversammlung von Mai 1848 bis Mai 1849. Zeitgenössische Darstellung.

Amtsgasse 1

Amtsgasse (Holzstich 1858) zwischen Altem Rathaus und Badischem Hof. Hier befanden sich vermutlich Wohnsitz und Laden der Familie Nathan Kaufmann.

Amtsgasse.Kaufmann..2023

Gleicher Blickwinkel in die Amtsstraße, aufgenommen im Mai 2023

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