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500 Jahre Bauernkrieg, Empörung über „faule Pfaffen“ auch im Murgtal
Am 20. April 1525, auf dem Höhepunkt des Bauernkriegs im deutschen Südwesten, sammelten sich wütende Landbewohner bei Malsch (nahe Kronau) und erklärten, sie würden dem „beschorenen faulen Hauffen“ in Speyer überhaupt nichts mehr zahlen! Gemeint waren die nach Art der Mönche am Kopf rasierten und meist adligen Mitglieder des Domkapitels, die von den Abgaben der abhängigen Bevölkerung gut lebten, aber ihren geistlichen Pflichten wie Chorgebet und Messelesen nur ungenügend nachkamen. Der Aufstand breitete sich rasch aus. Auch Bewohner des Murgtals schlossen sich an, über die wir aber heute nicht mehr viel wissen. Das Badische Tagblatt nimmt das diesjährige Thema „500 Jahre Bauernkrieg“ zum Anlass, die wenigen bekannten Fakten zu beleuchten und in das allgemeine Geschehen einzuordnen.
In der Markgrafschaft Baden begann der Aufruhr im Gebiet von Durlach. Es bildeten sich bewaffnete Gruppen, sogenannte Haufen. Rasch folgten auch die Untertanen des Hochstifts Speyer diesem Beispiel. Das Territorium des Hochstifts, in dem der Bischof auch weltlicher Herrscher war, erstreckte sich entlang des Rheins im Raum von Speyer, Udenheim (heute Philippsburg), Malsch, Bruchsal, Obergrombach, Lauterburg, Deidesheim und Kirrweiler. Die Erhebung begann im Bruhrain, einem dem Rhein im Osten vorgelagerten Feuchtgebiet zwischen Wiesloch und Bruchsal („bruh“ steht für „Bruch“).
Der Landesherr des Bruhrains, Fürstbischof Georg von Speyer, ein Bruder des Pfälzischen Kurfürsten, versuchte den Aufstand militärisch zu beenden. Das gelang nicht, da sich immer mehr Landbewohner und Städter auf die Seite der Bauern schlugen. Auch die größte Stadt der Region, Bruchsal, öffnete den Bauern ihre Tore. Bischof Georg zog sich in die Residenz seines Bruders nach Heidelberg zurück, wo ihm die Bauern per Brief ihre Verhandlungsbereitschaft signalisierten. Gegen ihn, so schrieben sie, hätten sie, im Gegensatz zu seinen Domherren, „kheyn beschwerde“.
Dass sich auch Murgtäler den Bruhrainern anschlossen, wissen wir dank einer Urkunde vom 15. Juni 1525, die nach der Beendigung des Aufstands bestätigte, dass die Untertanen der Grafschaft Eberstein zwischen Forbach und Muggensturm ihren Landesherren, nämlich Markgraf Philipp von Baden und Graf Bernhard von Eberstein, feierlich schworen, sich vom Bruhrainischen Haufen für immer loszusagen. Was aber hatte die Murgtäler dazu gebracht, mit den Untertanen des Fürstbischofs von Speyer gemeinsame Sache zu machen? Die Antwort liegt unter anderem in den nach Speyer fließenden Zehntabgaben.
Die Kirche erhielt seit dem Mittelalter einen Teil der landwirtschaftlichen Produktion, den sogenannten Zehnten. In Gernsbach floss der Getreide- und Weinzehnt zum größten Teil nach Speyer, wo er die Pfründen (Einkünfte) der Domherren vermehrte. Der Pfarrer von Gernsbach, der für eine große Pfarrei (Gernsbach, Scheuern, Staufenberg, Obertsrot, Hilpertsau, Lautenbach) zuständig war, erhielt dagegen nichts davon. Sicher empfanden die Murgtäler diese Regelung als ungerecht, besonders, da sie sich in diesem Fall auch auf die Qualität der Seelsorge auswirkte.
Schon 1517 beschwerten sich die Gernsbacher massiv über ihren Pfarrer. Er halte, so klagten sie, nicht nur die Messen unregelmäßig, sondern scheue auch oft die Wege zu Kranken, um ihnen Beichte und Kommunion zu ermöglichen. Der Pfarrer hielt dagegen, dass Gernsbach eine "arme Pfarrei" sei, die ihn nicht unterhalten könne, so dass ihm fast nur unregelmäßige Einnahmen blieben aus gebührenpflichtigen Handlungen wie Taufen, Trauungen, Begräbnissen oder Seelenämtern (Messen für Verstorbene zur Abkürzung des Fegefeuers). Was lag da näher, als den „faulen Pfaffen“ in Speyer zumindest eine Teilschuld für die mangelhafte Seelsorge zu geben.
Bilder:
Am Speyerer Dom wirkten die Geistlichen des Domkapitels, die in der Bevölkerung als „fauler Haufen“ verschrieen waren.
Bauern liefern bei ihren Herren Abgaben ab, nach einer Darstellung um 1500.
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